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Nachlese: Junge Menschen für’s Handwerk begeistern

Junge Menschen für's Handwerk begeistern - Ausbilder*innen-Stammtisch in der Sebastian Gitterle GmbH
27 Mär

Bericht zum Stammtisch in der Sebastian Gitterle GmbH

Am Mittwoch, den 6. März 2024 lud das Ausbilderforum Tirol zum ersten Stammtisch des Jahres 2024. Gastgeber des Stammtischs war die Firma Sebastian Gitterle GmbH in Urgen bei Landeck, die unter dem Titel „Junge Menschen für’s Handwerk begeistern“ ihren Türen für die Stammtisch-Teilnehmer*innen öffnete. Unter den rund 20 Gästen befanden sich Lehrlingsausbilder*innen und Ausbildungsverantwortliche aus dem Raum Landeck und Imst, Mitarbeiter*innen der Firma Gitterle und zwei Vertreter der PTS Landeck.

Junge Menschen für's Handwerk begeistern - Ausbilder*innen-Stammtisch in der Sebastian Gitterle GmbH
(c) Mathias Gröbner

Begrüßung und Betriebsführung

Zu Beginn der Veranstaltung heißen Eva Spiegel-Peters (Ausbilderforum) und Michael Gitterle (Sebastian Gitterle GmbH) alle Anwesenden herzlich willkommen. Eva Spiegel-Peters erläutert, dass das Ausbilderforum jährlich mit seinen Stammtischen durch verschiedene Tiroler Bezirke „tourt“ und nach einiger Pause nun wieder im Bezirk Landeck zu Gast ist. Dass die Wahl des gastgebenden Betriebs dabei auf einen Handwerksbetrieb gefallen ist, freut Michael Gitterle besonders.

Er erzählt, dass die Sebastian Gitterle GmbH 1971 von seinen Eltern Sebastian und Martha Gitterle gegründet wurde und seither von drei auf dreißig Mitarbeiter*innen angewachsen ist. Mittlerweile wird der Betrieb von Michael Gitterle und seiner Schwester Martina Wohlfarter-Gitterle geleitet. 2006 wurde die Tochterfirma G&M Polsterwerkstätten GmbH mit Geschäftsführer Josef Miller gegründet.

Die Lehrlingsausbildung hat im Betrieb Tradition. So war Firmengründer Sebastian Gitterle maßgeblich an der Schaffung des Berufsbilds „Bodenleger*in“ beteiligt. Derzeit können Lehrlinge in der Sebastian Gitterle GmbH und in der G&M Polsterwerkstätten GmbH die Lehrberufe Bodenleger*in und Tapezierer*in und Dekorateur*in erlernen.

Bei einem Rundgang dürfen die Gäste nun hinter die Kulissen des Betriebs schauen. Michael Gitterle, Martina Wohlfarter-Gitterle und Josef Miller zeigen den Teilnehmer*innen die verschiedenen Lager, Werkstätten sowie den Schauraum der Firma. In der Polsterwerkstätte können die Anwesenden den Lehrlingen sogar live beim Arbeiten über die Schulter schauen. Michael Gitterle berichtet, dass im Betrieb auch stark auf Nachhaltigkeit geachtet wird und beispielsweise die Holzabfälle in einer firmeninternen Hackschnitzelanlage verwertet werden. Zudem verfügt der Betrieb über eine eigene PV-Anlage inklusive intelligenter Speichertechnik. Im Schauraum erfahren die Teilnehmer*innen von Martina Wohlfarter-Gitterle Wissenswertes zum Angebot des Betriebs und zu Entwicklungen und Trends in der Raumausstattung.

Input und Diskussion: Wie begeistert man junge Menschen für’s Handwerk?

Nach der Betriebsführung laden Eva Spiegel-Peters und Michael Gitterle zur Diskussion und fragen die Teilnehmer*innen des Stammtisches, wie man aus ihrer Sicht junge Menschen für einen Handwerksberuf begeistern kann.

Die Ausgangslage: Viele Möglichkeiten für wenig(er) Lehrlinge

Josef Miller erzählt, welche Anstrengungen beide Unternehmen in Kauf nehmen, um Lehrlinge zu gewinnen und an die Branche zu binden. So pflegt man im Betrieb eine familiäre Atmosphäre, hält personelle Hierarchien flach und versucht die eigene Begeisterung im Betrieb durch Nahbarkeit auf die Lehrlinge zu übertragen. Der Erfolg dieser Strategie spiegelt sich in den vielen Auszeichnungen, die Lehrlinge der Firma bei Lehrlingswettbewerben erhalten haben, wider.

Doch auch eine hohe Ausbildungsqualität bindet nicht alle Lehrlinge langfristig an den Betrieb oder die Branche. Miller verweist auf die Tatsache, dass ausgelernten Lehrlingen derzeitviele Wege wie etwa ein Quereinstieg in andere Branchen und „leichtere“ Berufe offenstehen. Weil das Ansehen des Handwerks aber nach wie vor ausbaufähig ist, muss man als Betrieb aber zwangsläufig viel in die Ausbildung investieren, selbst wenn viele Lehrlinge nicht im Betrieb verbleiben. Michael Gitterle ergänzt diese Ausführungen mit aktuellen Zahlen aus der Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer, die die Notwendigkeit von Maßnahmen belegen.

Lehrlingsrecruiting: Welche Maßnahmen zeigen Erfolg?

Eva Spiegel-Peters fragt daraufhin in die Runde, welche Maßnahmen die Teilnehmer*innen in ihren jeweiligen Lehrbetrieben und Branchen ergreifen, um Lehrlinge zu gewinnen. Viele Teilnehmer*innen nennen Messen, Schulbesuche und Social Media-Kampagnen als Rekrutierungsmaßnahmen, wobei sich alle einig sind, dass gerade letztere nicht ausschlaggebend für erfolgreiches Recruiting sind. Zwar wird von Lehrbetrieben ein Social Media Auftritt erwartet, aber gerade deshalb ist auch eine gewisse Übersättigung zu verspüren, die die Erfolgsaussichten von Kampagnen deutlich schmälert. In diesem Zusammenhang teilen die Teilnehmer*innen ihre Erfahrungswerte von Imagekampagnen, die die Attraktivität der Lehre im Handwerk und im Allgemeinen steigern sollen. Hier besteht laut einigen Teilnehmer*innen die Gefahr, dass professionell produzierter „content“ Jugendlichen ein „Hochglanz“-Bild von Betrieben und Lehre vermittelt, das aber letztendlich realitätsfern ist und damit falsche Erwartungen erzeugt.

Anders verhält es sich mit Schnupperpraktika. Alle Teilnehmer*innen stimmen überein, dass Jugendliche, die in einem Betrieb schnuppern, ein klares Bild von den jeweiligen Lehrberufen und Betrieben erhalten und wissen, welche Anforderungen sie dort erwarten. Zudem gewinnen sie direkte Kontakte zu den Mitarbeiter*innen in den Schnupperbetrieben und können dort bei Beginn eines Lehrverhältnisses leichter andocken. Auch das Potential von Mundpropaganda (bei Handwerksbetrieben etwa über Kund*innen) darf besonders im ländlichen Raum nicht unterschätzt werden.

Zudem gilt es, beim Rekrutierung von Lehrlingen auch deren Eltern ins Boot zu holen, da sie in der Regel großen Einfluss auf die Entscheidungen ihrer Kinder ausüben. In diesem Zusammenhang gilt es auch, Bewusstseinsbildung bei den Eltern zu betreiben, die vielfach noch der Ansicht sind, dass ein Studium generell bessere Zukunftschancen birgt als so mancher Lehrbetrieb im Handwerk und Dienstleistungsbereich. Über Veranstaltungen wie das Berufsfestival in der Wirtschaftskammer Landeck, das die Teilnehmer*innen lobend hervorheben, kann man Eltern optimal in die Berufsorientierung ihrer Kinder einbinden und auch für sie Lehrberufe greifbar machen.

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